Lukas Höh, Interaction Designer bei Fluur
03. August 2017Anhand einer Augmented Reality App für den e-Golf von Volkswagen erklärt der Interaction Designer Lukas Höh die Produktentwicklung der Kölner Agentur Fluur. Er erklärt, warum Unity die ideale Schnittstelle ist, um Interface, Animationen und Code zusammenzuführen und warum allen Projekten meist ein künstlerischer Prototyp vorausgeht, der auf Festivals ausgestellt wird.
Vita
Lukas Höh beginnt 2004 bei der Agentur Uniplan in Kerpen eine Ausbildung zum Mediengestalter. Seine späteren Co-Founder trifft er erstmals durch seine VJ-Aktivitäten. Lukas immatrikuliert sich an der KISD für den Studiengang Integrated Design und übernimmt die Kuratierung des Platine Festivals. Als sein VJing sich technologisch weiterentwickelt, schafft er den Sprung auf Festivals, durch den Agenturen auf die Projekte aufmerksam werden. 2014 gründet er zusammen mit Daniel Dormann und Till Beutling, mit denen er bereits im Vorfeld mehrere Projekte umgesetzt hat, die Digitalagentur Fluur.
Empfehlungen
Zeitschriften: Neural, Die Digitale Welt, t3n, brandeins
Blogs: Creative Applications Network, We Make Money Not Art
Bücher: Multiscreen Experience Design, Branded Interactions
Hallo Lukas, wie alt bist du, was ist deine Rolle bei Fluur?
Ich bin 31 Jahre alt und einer von dreien des Fluur-Kernteams. Ich bin mit der Konzeption, dem Layout- und Interface-Design beschäftigt. Und natürlich auch mit Geschäftsführertätigkeiten. Ursprünglich komme ich aus dem klassischen Grafikdesign und habe viel mit Animation und Motion-Design gearbeitet.
Wie lange gibt es Fluur schon?
Vor circa zwei Jahren sind wir in diese Räume hier gezogen und haben den Firmennamen eingetragen. Wir wollten ein neues Kapitel aufschlagen und gerade die wirtschaftlich orientierten Projekte unter einem Dach zusammenführen. Daniel, Till und ich arbeiten schon seit 2012 gemeinsam an kulturellen Projekten und hatten auch schon zusammen ein Büro hier in Köln-Mülheim. Im Laufe der Zeit stellten wir ein wirtschaftliches Interesse an unseren kulturellen Projekten fest. Die Anfragen halfen uns als Team zusammenzuwachsen.
Heute bezeichnest du dich als Interaction Designer. Was bedeutet Interaction Design und wie verstehst du deine Rolle in einem Projekt?
Für uns ist Interaction Design die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Es geht mir darum diese Schnittstelle zu gestalten. Ob die Maschine ein klassisches Interface auf einem Multitouch-Screen ist oder aus Glocken besteht, die auf Säulen aufgebaut sind und unsere Software die Tonhöhe heraushört und entsprechende Projektionsinhalte zeigt: Für uns ist das zunächst zweitrangig.
Es geht darum, nicht wieder vor einer Glasscheibe zu sitzen, sondern ein haptisches Erlebnis zu haben, das besser im Gedächtnis bleibt.
Der rote Faden bei unseren Projekten sind haptische Eingaben. Es geht darum, nicht wieder vor einer Glasscheibe zu sitzen, sondern ein haptisches Erlebnis zu haben, das besser im Gedächtnis bleibt. Hoffentlich.
Bei welchem Projekt ist das deiner Meinung nach besonders gut gelungen?
Für Falke haben wir eine unserer ersten Kunstinstallationen als Prototypen verwendet. KREEK ist ein Multitouch-Tisch, der mit einem Stoff bespannt ist. Wird der Stoff heruntergedrückt, ändert sich die Projektion auf dem Stoff. Für Falke haben wir so die einzelnen Textilschichten für Laufbekleidung erlebbar gemacht. Die Installation wurde auf der Internationalen Sportmesse in München ausgestellt. Dass wir dafür Stoff von Falke benutzt haben, rundete die Erfahrung zusätzlich ab.
Geht allen euren Projekten ein kultureller Prototyp voraus?
Im Grunde ja. Für uns sind kulturelle Projekte ein Experimentierfeld für neue Technologien, bei denen wir frei und ohne festes Ziel lernen können. Am Ende muss die Installation halt ansatzweise so aussehen, wie sie im Ausstellungskatalog angekündigt wurde. Das haben wir früher recht viel gemacht und machen das auch heute noch so.
Wann hast du begonnen an Installationen zu arbeiten?
Der Grundstein wurde während meiner Ausbildung zum Mediengestalter bei Uniplan gelegt. Das ist eine Live-Kommunikationsagentur, die viel Messe und Events macht. Damals saß ich in der Abteilung “Neue Medien” und habe so sehr eng mit der Architekturabteilung zusammengearbeitet. Das war sehr prägend, weil ich gesehen habe, dass es nicht nur eine Disziplin wie zum Beispiel das klassische Grafikdesign gibt, sondern dass es erst wirklich spannend wird, wenn Architektur und Motion Design dazukommt. Mit einigen Kollegen von damals arbeite ich noch heute zusammen.
Wie ging es dann weiter?
Parallel dazu habe ich angefangen Visuals zu machen, also als VJ im Club zu arbeiten. Das war der Ausgleich zur täglichen Büroarbeit. Im Club konnte ich mich komplett ausleben. Zu der Zeit habe ich auch meine jetzigen Kollegen Till und Daniel kennengelernt.
Nach dem Zivi habe ich angefangen an der KISD in Köln Integrated Design zu studieren. Hier gab es zwei wichtige Projekte: Das Projekt Material Tweet und cluttAR. Bei Material Tweet ging es um die Transformation von Informationen. Wir haben in Echtzeit die Twitter-Datenbank nach den zwei gegensätzlichen Hashtags #Krieg und #Frieden durchsucht und mit zwei Sprühdosen verbunden. Sobald der Begriff Frieden getwittert wurde, ist die eine Sprühdose angegangen, beim Begriff Krieg die andere. Ergebnis war eine abstrakte Infografik, die man sehen, hören, fühlen und riechen konnte.
Das war eins der ersten Projekte, das Daniel und ich gemeinsam umgesetzt haben. Zur gleichen Zeit in etwa habe ich auch angefangen das PLATINE Festival zu kuratieren.
Um was geht es bei der Platine?
Die Platine ist ein Festival, das sich zwischen elektronischer Kunst und alternativen Spielformen bewegt. 2010 kam Stephan Ullmann, Geschäftsführer von 37 Grad auf mich zu. Es stand der Wunsch im Raum, eine kulturelle Veranstaltung während der Gamescom in Köln zu organisieren, die die Spielekultur aus einer anderen Sichtweise als die des reinen Konsumguts beleuchtet.
Für mich bot sich das an, weil ich damals nach einer Möglichkeit gesucht habe, meine Projektionsarbeiten mit neuen Eingabemethoden anzureichern. Es taten sich spannende Experimentierfelder auf. Für uns war dies auch der Schritt raus aus dem Club auf die Festivals, auf denen wir infolge dann regelmäßig ausgestellt haben. Auch dies war ein kreativer Ausgleich zu Arbeit und Studium. Allerdings wurden dann relativ schnell schon Live-Kommunikationsagenturen auf uns aufmerksam.
Ein erstes Projekt war „Env.Blinds“. Das war eine Fassadenprojektion auf dem Hansaring-Hochhaus in Köln. Der Besucher konnte mit seinem Smartphone ein Foto auf das Hochhaus projizieren. Für dieses Projekt haben wir auch erstmalig mit einer Game-Engine gearbeitet, um die Animationen auf dem Gebäude physikalisch korrekt darzustellen.
Welche Game-Engine war das?
Damals war das Unity. Für uns war die Steuerung einer Projektion über das eigene Smartphone ohne eine App zu benutzen die eigentliche Herausforderung. Grundlage für unser interaktives Schaufenster NOWA.
Welches Projekt ist gerade bei euch aktuell?
Ein Projekt, das wir gerade abgeschlossen haben, ist ein Augmented-Reality-Quiz für Volkswagen. Die Anfrage kam über unsere Kollegen von Simon Says Media und der Agentur Avantgarde, die jemanden für die Umsetzung suchten. Inhalt war der e-Golf und das Image von E-Autos generell. Die Aufgabe war die erklärungsbedürftigen Vorteile spielerisch zu präsentieren und den Vorurteilen gegenüber Fahrt, Reichweite oder Akku entgegenzuwirken. Das Projekt ist soweit abgeschlossen und befindet sich nun auf einer internationalen Roadshow.
Wie seid ihr an das Projekt herangegangen?
Für gewöhnlich sind wir schon bei der Konzeptphase dabei. Denn nur so lässt sich früh sagen, was möglich ist und was nicht. Da das Konzept schon stand, sind wir relativ schnell in das Prototyping reingegangen, das bei uns auf einem Blatt Papier beginnt. Dabei haben wir uns an den Erfahrungen von cluttAR bedient, einem kulturellen Augmented-Reality-Projekt von uns.
Welche Erfahrungen habt ihr bei cluttAR gemacht?
Bei cluttAR ging es darum herauszufinden, inwiefern die Kameras und Displays der Smartphones schon gut genug sind, um so ein Projekt umzusetzen. Es diente also der Evaluation und der technischen Machbarkeit von Augmented-Reality-Projekten. Wir wussten durch cluttAR, was möglich war und auch wie wir es umsetzen mussten.
Welche Rolle hattest du in diesem Projekt?
Ich habe die Projektleitung übernommen und auch das Interface mitgestaltet, außerdem Fragestellungen der User Journey zusammen mit dem Kunden erarbeitet. Das Design war vom Kunden bereits vorgegeben und es war meine Aufgabe in Unity Augmented Reality relevante Elemente wie Schattenwurf, Tiefe und Animationen zu erstellen.
Warum Unity?
Unity ist für uns vor allem als Knotenpunkt wertvoll, da Interface, Animation und Code an einer Schnittstelle zusammenlaufen. Mit Unity lässt sich relativ schnell ein einfacher Prototyp erstellen und das erleichtert die Zusammenarbeit enorm. Gerade in der konzeptionellen Phase eines Projekts können wir viel schneller über gemeinsame Ergebnisse sprechen oder mit dem Kunden Prototypen ausprobieren. Auch die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern ist seit wir Unity nutzen viel einfacher geworden.
Welche anderen Tools verwendet ihr?
Wir kommunizieren viel mit Open Project, einem Ticketsystem. Allerdings gibt es in dem Bereich nach wie vor kein Tool, das hundertprozentig den Prozess abdeckt. Darum nutzt Daniel für die Entwicklung Trello. Desweiteren nutzen wir noch Evernote zur Kommunikation.
Bei anderen Projekten, bei denen wir kein Unity verwenden, arbeite ich eher in After Effects, um schnelle Prototypen zu erzeugen oder finale Animationen zu erstellen. Für Projektionen nutzen wir Resolume und MadMapper.
Ich persönlich nutze dann noch den Notizblock. Ein klassisches Organisationselement, das ich nicht mehr aus der Hand geben möchte.
Setzt ihr alles selbst um, oder arbeitet ihr auch mit Freelancern zusammen?
Bei diesem Projekt haben wir auch mit Freien zusammengearbeitet, die Spezialisten für einen kleinen Teil des Projekts sind. Generell ist es so, dass wir versuchen alles selbst umzusetzen. Wir ziehen aber immer Experten für Teile eines Jobs hinzu.
Wie ist der aktuelle Stand des VW-Projekts?
Der Aufbau in Barcelona ist abgeschlossen. Die Marker sind an sieben Pavillons und am Auto selbst platziert. Der Besucher kann die Marker mit einem iPad scannen, ein Popup öffnet sich und er hat nun die Möglichkeit, Quizfragen mit verschiedenen Mechanismen zu beantworten.
Vor Ort haben wir jemanden, der kontrolliert, dass alles läuft. Wir hoffen, dass wir nötige Anpassungen over-the-air machen können. Gerade an einem Standort, an dem viel Sonne auf den Marker scheint, kann es sein, dass wir noch Mal kalibrieren müssen.
Gibt es bei euch sowas wie einen geregelten Tagesablauf?
Oh ja. Ich glaube, das ist einfach das Effektivste. Wir sind in der Hinsicht sehr konservativ geworden. Denn die Abläufe funktionieren deutlich besser, wenn man gemeinsame Kernzeiten und wiederkehrende Termine hat. Morgens haben wir unser Tages-Kick-off, der montags etwas länger ist, weil wir dann wirklich alle Projekte durchgehen. Jeder von uns betreut unterschiedliche Kunden. Da der Laden uns dreien gehört, wollen wir auch bei den anderen Projekten auf dem aktuellen Stand sein.
Welche anderen Regelmäßigkeiten gibt es noch?
Seit wir hier in Mülheim sind, kochen wir mittags immer zusammen, weil es hier leider nicht so viele Möglichkeiten Essen zu gehen gibt. Manchmal bestellen wir auch etwas.
Welche aktuellen Themen und Trends beschäftigen dich gerade?
Mit den Trends ist das ja so eine Sache. Wir bekommen die natürlich durch unsere Entwicklungsarbeit mit, aber auch durch Kunden, die bei uns anfragen. In letzter Zeit ist Virtual Reality in aller Munde. Für uns ist es aber wichtig, dass wir zum Beispiel an einem Messestand die Kommunikationsinhalte transportiert bekommen. Bei VR besteht allerdings das Problem, dass nicht zehn Leute gleichzeitig oder sämtliche Verwandte mit einem Blick über die Schulter das miterleben können. Daher ist das Thema Augmented Reality und das Arbeiten mit Tablets viel spannender für uns.
Einen Trend, den wir in den letzten Jahren gerne mitgegangen sind, ist das Projection-Mapping, weil das eine super Experience für viele Leute gleichzeitig ist. Großflächige Projektionen, bei denen die Inhalte nicht nur von einem Medienserver abgerufen, sondern auch von den Besucher-Smartphones gesteuert werden, funktionieren sehr gut.
Auch das Thema Interface-Gestaltung in Augmented Reality ist eine spannende Entwicklung, weil sich der Button – plakativ gesagt – nicht nur einfärben, sondern in die Dreidimensionalität des Raums übertragen lässt.
Welchen Tipp hast du für Leute, die am Anfang sind und schon erste kleine Projekte in ihrem Bastelkeller gebaut haben?
Traut euch die Ergebnisse bei Festivals einzureichen. Sie sind super Referenzen und es ergeben sich wertvolle Kontakte. Außerdem hört euch Talks an oder haltet Vorträge. Denn dann kommt man mal raus.
Mein Thema ist die künstlerische und die klassische Auftragsarbeit miteinander zu verbinden. Ich muss da immer an Anton Stankowski denken, der zum Beispiel auch das Logo für die Deutsche Bank gemacht hat. Er war ursprünglich Gestalter und Künstler und trotzdem im wirtschaftlichen Sektor aktiv.
Wie wichtig ist eine Ausbildung?
Eine Ausbildung ist wichtig, um das Arbeiten zu lernen und Abläufe kennenzulernen. Dabei geht es weniger um Fachliches, sondern um Fragen wie: Wie läuft ein Projekt ab? Wie spreche ich mit einem Kunden? Was mache ich in Situationen, in denen ein Projekt mal nicht so gut läuft? Am meisten habe ich allerdings vom Feedback auf den Ausstellungen gelernt. Man begibt sich in ein Umfeld, aus dem man viel herausziehen kann und die Leute bereit sind Feedback zu geben. Bei einer Ausbildung, wo der Chef gestresst ist und das Projektende naht, hat keiner Zeit für Feedback.
Was inspiriert dich?
Mich inspirieren Projekte, bei denen man merkt, dass dort die letzten zehn Prozent noch mal drauf gesetzt wurden. Im Tagesgeschäft erreicht man ja recht schnell den Punkt, an dem ein Projekt funktioniert. Wenn man aber sieht, es wurde weiter daran gearbeitet, machen die Projekte zusätzlich Spaß. Es inspiriert mich, wenn ich den Eindruck habe, ein Projekt wurde über das Soll hinausgeführt und es steckt wirklich Herzblut drin.
Außerdem finde ich den Austausch mit Menschen sehr hilfreich, die gar nichts mit dem Thema zu tun haben oder einen komplett anderen beruflichen Hintergrund haben.
Wie informierst du dich?
Ich bin ja eher so der Zeitschriften-Typ. Ich ziehe mich gerne mit einem Stapel Magazine auf die Couch zurück und nehme mir Zeit die komplett zu lesen. Wir haben zum Beispiel die Neural abonniert, ein spannendes italienisches Magazin, das sich eher kritisch mit der Digitalisierung auseinandersetzt. Die Digitale Welt liegt hier und die t3n und neuerdings auch die brandeins. Für mich ist es irgendwie beruhigend, dass die Themen schon mal eine Redaktionssitzung überlebt haben und vorgefiltert sind.
Gibt es etwas zum Thema Interaction Design, das du empfehlen kannst?
Beim Creative Applications Network lese ich regelmäßig die neu vorgestellten Projekte. Dort finden sich immer aktuelle kulturelle und freie Arbeiten. Außerdem verfolge ich den Blog We Make Money Not Art. Für die Entwicklung unseres letzten Produkts NOWA – Das interaktive Schaufenster hatte ich vor allem zwei wichtige Bücher auf dem Tisch liegen: “Multiscreen Experience Design” von Wolfram Nagel und Valentin Fischer und “Branded Interactions” von Marco Spies.
Vielen Dank für das Interview!
Dieses Interview wurde am 18. Mai in den Räumlichkeiten von Fluur in Köln-Mülheim geführt.