6 Dinge, die Stephanie Kaiser über Produktentwicklung gelernt hat
19. März 2019Den einen Satz, der Stephanie Kaiser wohl am besten beschreibt, sagt sie gleich zu Anfang unseres Interviews:. “Ich bin Produktfrau at Heart!” Und ab diesem Moment sprudeln die Ratschläge, Tipps und Erkenntnisse aus 13 Jahren Produktentwicklung nur so aus der Gründerin und Co-Geschäftsführerin von Heartbeat Labs raus.
Bei Heartbeat Labs kümmert sich Stephanie aktuell um alles, was mit Produkt, Marketing, BI und Technik zu tun hat. Ihre Mit-Geschäftsführer Eckhardt Weber, Hendrik Krawinkel und Johannes Keienburg haben Investor Relations, Finanzthemen, HR, Kommunikation und die Entwicklung der Strategie im Blick. An fünf Startups ist Heartbeat Labs derzeit operativ beteiligt, dazu kommen eine Reihe von strategischen Investments in weitere Medizin- und Healthcare-Startups. Der Weg zur eigenen Digital Health Plattform verlief für Stephanie alles andere als geradlinig.
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Stephanie ist im Grunde eine Selfmade-Produktentwicklerin und Unternehmerin. Als sie ihren ersten Job als Junior Product Managerin beim Klingeltonhersteller Jamba antrat, musste sie erstmal googeln, was ein Wireframe ist. Inzwischen hat Stephanie so ziemlich alles gesehen, was der Job zu bieten hat. Sie hat bei Wooga Facebook-Games auf zwei Millionen Daily Actives gebracht und ein Team mit 60 Leuten geleitet. Danach spürte sie den Wunsch, “wieder zum Handwerk zurückzukehren” und baute mit einem kleinen Team einen App-Prototypen für nur 20 Nutzer. Bei Biowink prägte sie als VP Product eine der erfolgreichsten Female-Healthcare-Apps mit. Der Zyklustracker “Clue” gehört heute zu den Top 20 Fitness- und Gesundheitsapps für iOS. Inzwischen berät die Unternehmerin nicht nur ihre Ventures, sondern auch die Politik: Sie ist eines von zehn Mitgliedern des im August 2018 eingesetzten Digitalrats der Bundesregierung.
Der Vorteil bei so viel Abwechslung im Lebenslauf: Man lernt sehr schnell sehr viel dazu. Das sind sechs von Stephanies wichtigsten Learnings:
1. Ego hinten anstellen
Eine der wichtigsten Lektionen für ihre berufliche Laufbahn lernte Stephanie bei Wooga, damals einer der größten Entwickler für Facebook-Games. Als Head of Studio war sie für 60 Mitarbeiter und die Weiterentwicklung von sieben Spielen zuständig. Für Stephanie war das eine wichtige Lektion in Demut. “Die eigenen Ideen sind in der Regel nicht die besten. Das sollte für jeden Produktmanager die grundlegende Philosophie sein”, sagt sie heute. Eine Idee kann auf dem Papier noch so toll klingen: Bei mehreren Millionen Nutzern sagen einem die Daten sehr schnell und zuverlässig, welche Features funktionieren und welche nicht.
2. Erst die Daten, dann das Vergnügen
“Bei Wooga habe ich gelernt, KPI-zentriert zu arbeiten. Ich liebe Daten”, sagt Stephanie. Daten sind für sie das wichtigste Tool, um Produktmanager und Entwickler zu motivieren und deren Arbeit zu priorisieren. Hat man erstmal KPIs definiert, fängt die eigentliche Arbeit im Backlog an, sagt Stephanie: “Alles, was nicht einzahlt, fliegt raus. Und dann guckt man: Was geht schnell, was braucht länger? Was schneller geht, wird zuerst gemacht. Das hat sich für mich als Faustregel bewährt.” Auf diese Weise kommt ein Team schnell zu ersten Ergebnissen und sieht, ob es in die richtige Richtung läuft: “Man sieht, wie das, was man baut, einen Impact hat. Das wirkt sehr motivierend auf das Team.”
3. Weniger, aber besser
“Ich kann zu Hause sehr gut aufräumen und aussortieren. So gehe ich auch meine Produkte an”, sagt Stephanie Kaiser. In Anlehnung an Marie Kondo, die japanische Großmeisterin des Aufräumens, wäre Stephanies Credo wohl: Alles, was dem User keinen Nutzen oder nicht wenigstens “Joy” bringt, fliegt weg. “Die besten Produkte sind die, die genau einen Nutzen haben und das sehr gut machen”, sagt Stephanie. Diesen einen Nutzen herauszuarbeiten ist der schwerste Job. Nutzerdaten helfen natürlich auch hier weiter. Aber manchmal ist es gut, einen Nutzer in Aktion zu erleben. “Natürlich bricht es einem das Herz zu sehen, wenn die eigenen Features nicht so ankommen wie erwartet. Aber nur so lernt man und entwickelt Produkte, die am Ende auch genutzt werden.”
Die besten Produkte sind die, die genau einen Nutzen haben und das sehr gut machen
4. Don’t listen to the user
Damit meint Stephanie: Frag nicht den Nutzer, wie er ein Produkt verbessern würde, sondern schaue ihm zu und finde heraus, welche Probleme er hat. Das erste, was Stephanie mit den Gründern von kinderheldin.de machte, war, potenziellen Nutzern das Produkt in die Hand zu drücken. Sie wollte sehen, wie die Frauen auf ein telemedizinisches Beratungsangebot reagieren würden. Im Pitch hatte Stephanie im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen sofort den Bedarf für ein Angebot erkannt, auf dem sich Schwangere und junge Familien schnell und einfach rund um Schwangerschaft und Geburt beraten lassen können. Doch wie genau das Produkt aussehen müsste, wurde erst klar, als das Team die ersten Nutzer in Aktion erlebte. Eine Beobachtung: Die meisten Eltern werden ihr Baby auf dem Arm haben, während sie mit der anderen Hand das Portal bedienen. Einfache Bedienbarkeit war darum einer der wichtigsten Faktoren.
5. Lernfähig sein
Was bei einem Produkt funktioniert, ist noch lange keine Blaupause für das nächste. Gerade im Bereich Healthcare hat Stephanie gelernt, bewährte Vorgehensweisen in Frage zu stellen. “Normalerweise sagt man: Halte es einfach. Ein Onboarding-Prozess sollte zum Beispiel nicht zu viele Schritte haben, weil man unterwegs sonst zu viele Nutzer verliert. Bei Healthcare haben wir das Gegenteil erlebt.” Neben Kinderheldin baut Heartbeat Labs ein zweites Telemedizin-Portal auf. Bei fernarzt.de können Nutzer online Rezepte von Ärzten einholen und direkt einlösen. Anders als etwa bei einem klassischen Onlineshop steht kein schneller Geschäftsabschluss im Vordergrund. Stattdessen gilt es, das Vertrauen der Nutzer in die medizinische Dienstleistung zu gewinnen. Wie beim Besuch in einer Arztpraxis gilt auch im Netz: “Die Nutzer fühlen sich besser abgeholt, wenn man mal eine Frage mehr stellt.”
6. Fokus
2017 gegründet, hat Heartbeat Labs inzwischen ein gutes Portfolio aus fünf eigenen Start-Ups und neun Beteiligungen aufgebaut. Und viel mehr sollen es im Moment auch nicht werden: “Wir wollen nicht zu viel auf einmal machen, sonst wird es irgendwann nicht mehr gut”, sagt Stephanie. Diese Philosophie gibt Heartbeat Labs auch in die eigenen Projekte weiter. Stephanie erinnert sich an die Anfangszeit von Kinderheldin.de: “Ich kam direkt aus meiner Elternzeit in das Projekt und die Gründer wollten loslegen mit einer App für Android, für iOS, einer Webseite und einem Chat. In acht Wochen!” Stephanie trat auf die Bremse und begann erstmal mit einem einfachen MVP: Mit einer Landingpage versuchte man herauszufinden, was die Nutzer von einer Hebammenberatung im Netz überhaupt erwarteten. Inzwischen ist das Produkt als Webseite live und kann von Versicherten verschiedener Krankenkassen kostenlos genutzt werden.
Wie man Produkte aufräumt und immer den richtigen Fokus behält, erfahrt ihr von Stephanie persönlich am 28. November 2019 beim Digitale Leute Summit.