Iuri Matsuura, Engineering Manager bei Scout24
25. Januar 2018Iuri gewährt uns einen Einblick in das Management der App-Entwicklung bei ImmobilienScout24. Er erklärt, welche Aufgaben er als Engineering Manager wahrnimmt und warum Ehrlichkeit gegenüber toxischen Teammitgliedern eine gute Methode ist.
Vita
Iuri studiert Informatik an der Federal University of Ceará in Fortaleza, Brasilien. Für die Arbeit in einem Startup zieht er 2014 nach Dänemark, wechselt aber nach kurzer Zeit zu Westwing in München. Nach 10 Monaten zieht er nach Berlin, um bei DaWanda in einer Teamlead-Position zu arbeiten. Heute ist er als Engineering Manager iOS bei ImmobilienScout24 beschäftigt, einem Unternehmen der Scout24 Gruppe.
Empfehlungen
- TechCrunch
- Product Hunt
- Medium.com
- Shoe Dog
- Managing Humans
Hallo Iuri, welche Rolle hast du bei ImmobilienScout24?
Im August 2016 bin ich als Backend Engineering Manager bei ImmobilienScout eingestiegen. Seit drei Monaten bin ich Engineering Manager für das iOS-Team und sorge zum Beispiel dafür, dass das Team sich wohlfühlt und sich beruflich weiterentwickeln kann. Dazu gehört es auch, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, auf die die Entwickler während der Entwicklung der iOS-App stoßen.
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Inwiefern hast du mit technischen Aspekten bei einem Projekt zu tun?
Als Engineering Manager gehört zum Beispiel Performance Review zu meinen Aufgaben. Das bedeutet, ich versuche einzuschätzen, welchen Beitrag jeder Entwickler technisch leisten kann und inwiefern er damit auf die Kernwerte des Unternehmens einzahlt. Ohne technischen Hintergrund wäre ich dazu vermutlich nur schwer in der Lage. Das gilt auch für das Ressourcenmanagement. Ich muss verstehen, was die Entwickler da gerade bauen, ob das skalierbar und haltbar ist und wie lange das in etwa dauern wird.
Ich finde es sehr motivierend, wenn ich verstehe, woran ich arbeite und warum.
Und ich nehme von Zeit zu Zeit an Codereviews teil und beteilige mich an technischen Diskussionen.
Wie viel deiner Zeit verbringst du mit welcher Aufgabe? Bleibt Zeit zum Programmieren?
Das ist eine spannende Frage, mit der wir uns im Engineering Management immer wieder beschäftigen: Programmieren oder nicht programmieren? Bei ImmobilienScout24 entwickeln die erfahrenen Engineering Manager nicht mehr, haben aber einen sehr starken technischen Hintergrund. Je nach Team und welche Prioritäten sie sich gesetzt haben, programmieren ein paar Engineering Manager auch noch.
Wie sieht es bei dir aus? Programmieren oder nicht mehr programmieren?
Im Moment manage ich sechs Entwickler. Die wollen mit dem Produkt und den anderen Teams ausgerichtet sein. Das heißt, mir bleibt darüber hinaus nicht mehr viel Zeit, selbst Hand anzulegen. Aber von Zeit zu Zeit blocke ich mir zwei, drei Stunden und tauche in den Code ab, um ein Feature, das wir gerade bauen, besser verstehen zu können.
Anmerkung der Redaktion: Nach dem Interview hat sich die Zahl der Entwickler, die er managt, auf zehn erhöht.
Wie ist das Team aufgebaut und in welche Struktur ist das Team eingebettet?
Das Team besteht aus dem Engineering Manager, den Softwareentwicklern und dem Product Manager. Manche Teams oder auch Squads, wie wir sie nennen, haben einen UI/UX Designer. Bei ImmobilienScout24 fallen zudem gigantische Mengen an Daten an. Darum haben einige Teams auch Datenanalysten. Der Manager der Engineering Managers ist Teil der Abteilung und heißt Head of Technology. Manche Abteilungen haben dann noch einen Head of Product, der sich um die Produkt-Leute kümmert. In unserer Abteilung sind zum Beispiel sechs Teams.
Verstehe ich das also richtig, dass ihr nicht nach Scrum arbeitet?
Das stimmt, wir folgen nicht Scrum, haben also keinen Product Owner, Scrum Master und so weiter. Dennoch arbeiten wir agil. Meine Rolle ist ein bisschen eine Mischung aus allem: Ein bisschen was vom Management, da wir die Leute zu managen haben, ein bisschen was von Produkt, da wir Technologie verstehen müssen und es Teil des Produkts ist. Und ein bisschen die Rolle eines Scrum Masters, weil man Teil des Entwicklungsprozesses ist und zum Beispiel wie ein Scrum Master Hindernisse beseitigt.
Kannst du uns an einem Beispiel zeigen, welche Rolle du bei der Produktentwicklung spielst?
Ein Projekt, an dem ich zuletzt gearbeitet habe, ist der Homescreen der iOS-App von ImmobilienScout24. Als ich vor drei Monaten dem iOS-Team beigetreten bin, war der Prozess für die Entwicklung des Homescreens schon im Gange, was bedeutet, dass schon ein Refactoring des Codes stattgefunden hatte, um den Homescreen technisch zu ermöglichen. Da ging es darum, neue Libraries einzuführen und eine SDK bereitzustellen.
Was war die Ausgangshypothese für die Erstellung eines Homescreens?
Eine der KPIs des Teams ist die Anzahl der Nutzer-Sitzungen. Wenn du dir die iOS-App herunterlädst, ist das Erste, was du siehst, ein Suchfeld. Das animiert den User jetzt nicht unbedingt, besonders aktiv zu sein. Wir haben uns also überlegt, wie wir das über Personalisierung verbessern können, damit der Nutzer, wenn er zurück in die App kommt, sagt: Oh, da wurde was für mich bereitgestellt. Unsere Annahme ist, dass der Nutzer dadurch in der App aktiver ist und öfter zurückkommt, weil er merkt, dass wir für ihn arbeiten, auch wenn er sich nicht in der App bewegt. Das war die Idee hinter dem Homescreen.
Welche Aufgabe hattest du in diesem Projekt?
Meine Hauptaufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass ein Projekt rechtzeitig fertiggestellt wird. Wenn wir aber erst mal einen Schritt zurückgehen – und hier war ich beim Homescreen nicht beteiligt, weil ich erst später hinzugekommen bin –, dann muss ich schon im Voraus sicherstellen, dass die Technologien, die wir für das Projekt verwenden, dafür geeignet sind. Es kommt vor, dass wir eine Projektidee haben, sie aber nicht umsetzen können, weil es technologisch nicht möglich ist.
Außerdem muss ich das Kapazitätenmanagement übernehmen. Bei der Homescreen-Entwicklung hatten wir eigentlich drei Entwickler dafür eingeplant. Unglücklicherweise musste einer in einem anderen Projekt zur Hand gehen. Das Homescreen-Projekt war an dieser Stelle noch nicht in Gefahr und auch mit zwei Entwicklern zu bewältigen. Bei uns ist es aber auch so, dass die sechs iOS-Entwickler in wöchentlichem Turnus durch die Projekte rotieren. Da wir aber nur zwei Wochen hatten, um den Homescreen fertigzustellen, musste ich diese Regel brechen. So haben zwei Entwickler zwei Wochen am Stück daran gearbeitet.
Eine weitere Aufgabe ist, darauf zu achten, dass die Informationen zu jedermann fließen, damit Stakeholder, Manager und Entwickler wissen, was der aktuelle Stand ist und ob alles läuft.
Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?
Der aktuelle Stand ist, dass der Homescreen noch nicht veröffentlicht ist. Android ist uns da ein bisschen voraus. Der Homescreen ist da schon live und wird einem AB-Testing unterzogen.
Anmerkung der Redaktion: Der Homescreen ist in der Zwischenzeit sowohl für Android als auch für iOS in der App verfügbar.
War das das einzige Projekt, an dem du zu der Zeit gearbeitet hast, oder hast du daneben noch andere Aufgaben?
Währenddessen habe ich noch an anderen Projekten gearbeitet. Im Mobile Team, zu dem ich gehöre, haben wir zwei Squads, die an unterschiedlichen KPIs arbeiten. Das Growth-Squad hat seinen Fokus darauf, mehr Leute für die App zu gewinnen, also mehr Sessions zu generieren. Hier wurde der Homescreen gebaut. Das andere Squad ist das Engagement-Squad, welches für mehr Kontaktanfragen verantwortlich ist. Da geht es darum, die Kontaktanfragen zu erhöhen. Jedes Squad hat drei iOS-Entwickler und ich arbeite immer gleichzeitig in beiden Projekten.
Dazu kommen die vielen Alignment-Meetings mit anderen Teams und Departments. Und dann gibt es noch die Personalmanagement-Seite. Ich finde es wichtig, alle zwei Wochen Personalgespräche mit den Teammitgliedern zu führen.
Wie sieht dein typischer Tagesablauf bei ImmobilienScout24 aus?
Ich mag es, um 6 Uhr aufzustehen und ins Fitnessstudio zu gehen. Das gibt mir gleich mal einen ordentlichen Endorphin-Boost. Danach meditiere ich etwas und dann gehe ich ins Office. So fange ich meinen Tag frisch und entspannt an. Gegen 9.30 Uhr lese ich erst mal. Für gewöhnlich öffne ich drei Tabs: TechCrunch, Product Hunt und Medium.com. Dort suche ich ein paar Artikel heraus, lese sie und teile sie gegebenenfalls in der Firma via Slack. Das lohnt sich. Denn erst vor Kurzem wurde zum Beispiel eine neue Library implementiert, die die Entwickler über einen Artikel entdeckten, den ich geteilt hatte.
Wie geht es weiter im Tagesablauf?
In meinem Tagesablauf gibt es eine Menge Meetings. Ich versuche aber auch, in der Nähe der Entwickler zu sein. Darum sitze ich immer wieder in den unterschiedlichen Teams, um zu sehen, wie gearbeitet wird und wie die Kollegen untereinander zurechtkommen.
Wann endet dein Tag?
Seit zwei Monaten besuche ich beim Goethe-Institut drei Tage die Woche Deutschkurse. Dafür verlasse ich gegen 17.30 Uhr das Büro. Das geht dann bis kurz vor 21 Uhr. Das ist schon ziemlich hart, denn ich stehe ja bereits um 6 Uhr auf. An den restlichen Tagen gehe ich meist gegen 18.30 Uhr nach Hause.
Welche Tools und Hilfsmittel brauchst du auf der Arbeit?
Ich brauche meinen Mac und mein iPhone, auf dem die App läuft, damit ich sie auch testen kann. Ich habe aufgehört, einen zweiten Monitor zu nutzen, weil ich nicht mehr so viel code. Wichtig sind mein Kalender und E-Mail, wofür wir Outlook haben. Slack habe ich ja schon erwähnt. Und wenn ich dann doch code, dann nehme ich Xcode. Jira nutzen wir, um alle unsere Features zu entwickeln und zu tracken.
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Was treibt dich persönlich an, was motiviert dich?
Ich bin sehr ambitioniert und arbeite daraufhin in fünf Jahren in der Führungsebene zu sein. Das ist das Ziel. Ich will lernen, wie man ein Business aufzieht. Und ich denke, Leadership ist eine gute Herausforderung. Ich glaube, das ist etwas, was man ständig weiterentwickeln und verbessern muss. Und es gibt immer Raum zur Verbesserung.
Was tust du heute schon, um deine Ziele zu erreichen?
Ich lese sehr viel auf meinem Kindle. Lesen ist Teil meiner Routine, zum Beispiel wenn ich mit dem Zug zur Arbeit fahre. Vor Kurzem habe ich die Autobiographie „Shoe Dog“ vom Nike-Gründer Phil Knight gelesen. Darin geht es um die Nike-Geschichte, allerdings aus Business-Perspektive. Mich hat das Buch sehr inspiriert, weil es zeigt, dass erfolgreiche Leute nicht erfolgreich geboren werden, sondern viel Arbeit reinstecken mussten und auch mit Rückschlägen zu kämpfen haben.
Aktuell lese ich ein Buch, das „Managing Humans“ heißt. Michael Lopp, momentan VP Engineering bei Slack, erklärt darin, wie es ist, ein Manager in einem Entwickler-Umfeld zu sein.
Gibt es etwas, was die Leute für gewöhnlich nicht über dich wissen?
Ich denke, sie wissen nicht, dass ich für drei Millionen aktive Nutzer in unserer App verantwortlich bin. Und ich denke, sie wissen nicht, wie viel Arbeit in so einer App steckt, wie viele Leute daran beteiligt sind und wie viel Zeit das alles braucht.
Was treibt dich auf der Arbeit auf die Palme? Und wie gehst du damit um?
Ich würde sagen, toxische Leute bringen mich auf die Palme und gehören zu den Dingen, die mich demotivieren. Wichtig ist, dass man das ernst nimmt, denn sonst kann das echt zu einem Riesenproblem werden.
Was macht man mit toxischen Leuten?
Man muss sich zusammensetzen und ehrlich sein, denn toxische Leute sind meistens unehrlich. Ich versuche dann immer, demjenigen ein Angebot zu machen, damit er daraus etwas lernen und sich verbessern kann. Ein Angebot ist wichtig, weil es meist hilft, ein besserer Mitarbeiter zu sein. Und manchmal klappt das nicht, dann muss man aktiv werden. Ich halte es da wie Maxwell, der sagt: „Leadership is not a noun. It’s a verb.“ Bei Leadership geht es darum, zu entscheiden. Und du musst nicht den Titel tragen, um ein Leader zu sein.
Lieber Iuri, vielen Dank für das Interview.
Dieses Interview wurde am 21. April 2017 mit Iuri Matsuura geführt, der im Berliner Office sitzt. Das Interview wurde auf Englisch und via Skype geführt.
Fotos: © Andreas Lukoschek